Angesichts der großen Zahl von Bürotätigkeiten, die sich im Laufe der letzten Monate als homeoffice-fähig erwiesen haben, erstaunt es kaum, dass auch viele Coaches ihr Warenkörbchen nun im Internet feilbieten. Startups entwickeln Videosoftware speziell für Coachingprozesse. Schöne neue Welt? Wie fast immer: Ja und Nein. Natürlich ist es sinnvoll – nicht nur für ökologisch sensible Betrachter – Coachingtreffen hin und wieder am Telefon oder am Bildschirm stattfinden zu lassen. Aber erfolgreiches Coaching kann nur bei gegenseitigem Vertrauen gelingen. Vertrauen bedingt die Prüfung der „Chemie“ der oder des Anderen. Wechselseitig. Dieses Abtasten im realen Miteinander ist nicht durch den Bildkontakt über einen hochauflösenden Bildschirm ersetzbar. Man muss einen Menschen nicht zur Gänze kennen (ist das überhaupt möglich?), aber einen Eindruck, eine Idee braucht man, um mich auf das Wagnis einzulassen, sie oder ihn als hilfreichen Begleiter für einen Teil seiner Lebensreise zu akzeptieren. Offline-Kennenlern-Begegnungen sind deshalb unersetzlich. Besser zwei als eine. Zwar wissen wir, dass wir in der realen Welt nach 1/10 Sekunde einen festen Eindruck von unserem Gegenüber haben, aber einmal darüber zu schlafen oder den Ersteindruck in einem anderen Setting nochmals zu überprüfen, kann kein Fehler sein. Im Gegenteil. Maske und Abstand können diesen Eindruck nur minimal verfälschen.
Wir haben uns daran gewöhnt, Siri oder Alexa nach allem Möglichen zu fragen, aber suchen wir bei ihnen auch einen Rat zu den seltsamen Attitüden unserer Chefin, zu unserer Karriereplanung oder der Ausweitung unseres Beziehungsnetzwerkes? Wohl nur die Wenigsten. Die hier gezeigte Skepsis sollte genauso für Angebote über komplette Online-Anbahnung und -Durchführung von Coachingprozessen gelten.