Stellen wir uns einen traditionellen deutschen Mittelstandsbetrieb vor, der ohne die neuesten Tricks aus der Beraterkiste eher konservativ-patriarchisch gelenkt wird. Resilienz- und agilitätsfrei. Dennoch gehört das Haus in seiner Nische zu den bestimmenden Akteuren auf dem Weltmarkt. In der Unternehmenskultur wird das Bild der „großen Familie“ zelebriert. Fluktuation und Krankenstand sind niedrig. Oben wird die Musik gespielt, unten eifrig gearbeitet.
In der Mitte, tja, da ist sie: die berühmte Lehmschicht. Die Firmenleitung erwartet von ihr kompetentes Mitarbeitermanagement, ohne ihr die Mittel der disziplinarischen Führung anzuvertrauen. Bis zu zehn und mehr Mitarbeiter/innen sollen – natürlich nur rein fachlich – geführt werden. Die Sachkompetenz der Teamleiter/innen muss aber natürlich ebenfalls in zählbare Arbeitsstunden verwandelt werden. Gutwillig werden 20% der Arbeitszeit für Führung zugebilligt. In ruhigen Zeiten.
Wenn nun beispielsweise Frau Rottmann, Teamleiterin in der Fertigung, darauf hinweist, dass sie mit diesem Zeitbudget unmöglich im operativen Alltag führen oder gar Milestone- und Jahresgespräche führen kann, so wird ihr wohl etwa so geantwortet: „Sie glauben doch nicht, dass Dr. Albrecht als Fertigungsleiter die 42 Jahresgespräche in seiner Abteilung führen kann. Sie sind ganz nah an den Leuten dran. Sie sind Führungskraft. Also erzählen Sie mir nicht, was nicht funktioniert, sondern werden Sie sich Ihrer Verantwortung bewusst.“
Frau Rottmann entlässt ihren aufgestauten Atem durch die Zähne und trollt sich. Was kann sie tun? Allein gegen die verrückten Ansagen angehen? Die Führung schleifen lassen? Die eigene, gehobene Sachbearbeitung liegen lassen? Allein auf sich gestellt wird sie so oder so scheitern, in der inneren Emigration enden oder das Unternehmen verlassen.
Nur eine gemeinsam agierende Teamleiterschaft kann an dieser Stelle etwas bewegen. Nicht sofort, aber doch durch stetiges Bohren der dicken Bretter des Schon-immer-so gemacht-Habens. Die Teamleiter sollten sich so organisieren, dass sie – vielleicht einmal pro Monat – gemeinsam ihre Probleme austauschen, aus Schnittstellen im Lauf der Zeit Nahtstellen werden lassen, aus der Vereinsamung in den hierarchischen Säulen zum solidarischen Miteinander auf der Teamleiterebene gelangen. Kleine Schwierigkeiten in diesem Kreis lösen, größere als nun wahrnehmbare Interessengruppe regelmäßig an die Firmenleitung kommunizieren.
Frau Rottmann muss aber zunächst viel Energie und Überzeugungsarbeit investieren, bis ihre Teamkolleginnen und -kollegen bereit sind, Zeit für diese Entwicklung hin zu einem Wir-Gefühl der Teamleitungen aufzubringen. Und damit ist die Firmenleitung noch nicht im Boot. Aber vielleicht erkennt auch sie die Vorteile.
Vorteile von regelmäßigen Teamleitertreffen für die Teamleiter/innen
- Austausch statt Vereinsamung
- Erkenntnis, dass andere die gleichen Probleme haben wie man selbst
- Stärkere Kommunikationsbasis gegenüber der Geschäftsleitung
- Zügige Bearbeitung gemeinsamer Probleme (IT, Stundennotierung, Prozessbrüche etc.)
- Erhöhte Chance für erwünschte Organisationsveränderungen
- Mitsprache bei Personalentscheidungen im jeweiligen Feld
- Professionalisierung des Miteinanders
- Best practice-Austausch ohne Extraseminar
Vorteile von regelmäßigen Teamleitertreffen für die Geschäftsleitung
- Kontaktierbare Plattform bei übergreifenden Problemen
- Vertiefte Kenntnis des Stimmungsbildes an der Basis
- Vorabbesprechungen bei betrieblichen Änderungen
- Gezielte Ansprache der Teamleiterebene wird möglich
- Höherer Ideenoutput, da das „Sich-Trauen“ für die/den Einzelne/n aus der Gruppe heraus leichter fällt
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